Notfallsanitäter unterstützt das IKRK in der Ukraine
Ein Mitarbeiter von uns unterstützt das IKRK bei seinem Einsatz in der Ukraine.
Der bewaffnete Konflikt in der Ukraine hält die Welt in Atem und treibt eine verheerende humanitäre Krise an, die sich auf das Leben von Millionen Menschen auswirkt.
Bereits seit 2014 unterstützen das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) die Hilfskräfte in der Ukraine vor Ort und leisten mit Partnerorganisationen humanitäre Hilfe nach den Grundsätzen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung.
Im Februar dieses Jahres wurde dieser Einsatz massiv ausgeweitet, um die Bevölkerung mit Hilfsgütern, medizinischem Material und Medikamenten zu versorgen sowie weitere lebensnotwendige und lebensrettende Maßnahmen durchzuführen.
Ein Kollege aus unserem Rettungsdienst war, als Teil einer IKRK-Mission, knapp fünf Wochen im Krisengebiet vor Ort, um den Menschen dort zu helfen und berichtet uns über seine Erfahrungen:
Wie kam es zu deinem Einsatz in der Ukraine?
Mich persönlich hat die Herausforderung und die einzigartige Erfahrung gereizt und so habe ich bereits beim ersten Aufruf über unser Intranet mein Interesse für einen Einsatz mit dem IKRK in der Ukraine bekundet.
Auf Nachfrage erfuhr ich vom DRK-Generalsekretariat, dass der Einsatzort in der Ostukraine sein würde, mit einer Dauer von mindestens vier Wochen.
Mein persönlicher Wunsch war es, den Einsatz dann möglichst zeitnah zu beginnen und so startete bereits eine Woche später mein Flug in die Republik Moldau. Über Chișinău und die ukrainische Stadt Odessa reiste ich dann in die Region rund um Pokrowsk und Dnipro im Osten der Ukraine.
Insgesamt war ich dann knapp fünf, statt der zuerst geplanten vier Wochen vor Ort, da sich mein Einsatz um ein paar Tage verlängerte und sich dann meine Abreise über Kiew, Lwiw und Polen nach Deutschland aus Sicherheitsgründen verzögerte.
An dieser Stelle auch nochmals herzlichen Dank an meine Wachenleiter und den DRK Rettungsdienst Bodensee-Oberschwaben, dass ich so spontan, flexibel und unkompliziert freigestellt werden konnte.
Was waren deine Aufgaben während des Hilfseinsatzes?
Wir haben PatientInnen von Krankenhäusern oder BewohnerInnen aus Pflegeheimen entweder in ein vier Stunden entferntes Krankenhaus transportiert oder zu einem Krankenhaus-Zug von “Ärzte ohne Grenzen“ gebracht.
Eine Evakuierung oder Verlegung aus Kliniken erfolgte entweder aufgrund schwerer Kriegsverletzungen oder, weil ein Krankenhaus vor Ort die Versorgung von PatientInnen nicht mehr gewährleisten konnte, beispielsweise durch fehlende Dialyse-Geräte o.Ä.
Bewohnerinnen und Bewohner aus Pflegeheimen wurden von uns an sichere Orte gebracht, wenn die Einrichtungen zu dicht an der "line of contact", der sog. Kontaktlinie, waren. Diese Abschiede waren oftmals sehr emotional, besonders für die Pflegekräfte, die die Bewohnerinnen und Bewohner oftmals über viele Jahre hinweg betreut hatten.
Generell konnte man so also zwischen Einsätzen unterscheiden, bei denen die Transportaufgaben im Fokus standen und Einsatzfahrten mit Patientinnen und Patienten, die währenddessen eine medizinische Überwachung und Versorgung benötigten. Besonders im letzterem Fall musste man sich dann den langen Transportzeiten anpassen sowie der oftmals fehlenden Möglichkeit, Unterstützung nachzufordern.
Zwei Patienten sind mir von dieser Zeit gut im Gedächtnis geblieben:
Da gab es einen 9-jährigen Jungen, der am ganzen Körper schwarze Punkte von eingedrungenen Splittern hatte, aber wahnsinnig interessiert, kommunikativ und aufgeschlossen war und einen ca. 30 Jahre alten Mann, der während des Transports leider telefonisch erfuhr, dass sein Vater getötet wurde.
Wie ist die Sicherheitslage vor Ort gewesen?
Gab es besondere Vorkehrungen?
Nach der ersten Eingewöhnungsphase habe ich mich mit dem IKRK verhältnismäßig sicher gefühlt.
Wir sind während den Einsätzen immer im Konvoi gefahren und hatten stets unsere Ausrüstung, wie Schutzwesten, Helme sowie eine CBRN-Ausstattung zum Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahren dabei.
Insbesondere in Pokrowsk haben wir oft Detonationen gehört, dort durften wir aus Sicherheitsgründen auch unsere Unterkunft nicht verlassen. Zudem gab es überall im Land ständig Luftalarme – dadurch lebt man immer mit dem unguten Gefühl, man könnte gerade an der falschen Stelle stehen, auch wenn man Schutz in einer sicheren Unterkunft sucht.
So gab es zum Beispiel auch einen Tag an dem wir in Pokrowsk unterwegs waren, als Dnipro von mehreren großen Raketeneinschlägen getroffen wurde. An diesem Tag hätten wir eigentlich dort vor Ort sein sollen. Am darauffolgenden Tag waren wir dann in Dnipro, als ein Angriff auf Pokrowsk erfolgte. Obwohl es beide Male zwar nicht die Anlagen getroffen hatte, in denen wir untergebracht waren, ist es trotz gutem Sicherheitsmanagement ein Beispiel dafür, wie die eigene Gesundheit in einem Kriegsgebiet manchmal nur vom Zufall abhängt.
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Vielen Dank, dass du uns an deinen Erfahrungen und Erlebnissen in der Ukraine teilhaben lässt und dir die Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten.